Innere Kind Arbeit: Diesen Fehler solltest du unbedingt vermeiden
Als ich begann, mich intensiv mit meinem emotionalen Schmerz auseinanderzusetzen, begegnete mir auch die innere Kind Arbeit. Das hat mich sehr angesprochen, denn ich habe deutlich gespürt, dass die Ursachen für meine belastenden Themen in meiner Kindheit lagen.
Das Buch von der Psychologin Stefanie Stahl, hat extrem viel Aufmerksamkeit bekommen. Und der der therapeutischen Arbeit ist das Thema nicht wegzudenken.
Und es war für mich von Anfang an logisch und nachvollziehbar, dass es die unbewussten Verletzungen meiner Kindheit sind, die ich in den schmerzhaften Momenten spürte.
In meinem früheren Blogbeitrag habe ich dir schon eine kleine Anleitung geschrieben, wie du durch den Kontakt mit deinem inneren Kind Schmerz auflösen kannst. Und wenn du jetzt hier auf meiner Seite bist und diesen Artikel liest, dann gehe ich davon aus, dass du an einer ähnlichen Stelle stehst und dich auch schon mit diesem Thema beschäftigt hast.
Ich habe also vieles darüber gelesen und versuchte, den Ratgebern zu folgen und die Empfehlungen für die aktive Arbeit mit meinem inneren Kind umzusetzen. Allerdings hat das für mich nicht funktioniert. Zumindest nicht so, wie es meistens in der Literatur empfohlen wurde.
Denn genau das ist für mich ein wichtiger Fehler, den es zu vermeiden gilt. Bestätigt hat sich dies durch die Arbeit mit meinen Klient*innen. Und eigentlich sind es für mich zwei Fehler, die ich in meinem ganz persönlichen Prozess feststellen konnte. Aber welche Fehler sind das denn nun?
Überblick Inhalte
Worum geht es bei der Arbeit mit dem inneren Kind?
Im Prinzip geht es darum, sich zum einen bewusst zu machen, dass es diesen Anteil überhaupt gibt und dass wir gerade in Konflikt- oder Triggermomenten aus genau diesem kindlichen Aspekt unserer Persönlichkeit heraus reagieren. Häufig können wir das ja sogar benennen durch die Aussage: „Ich fühle mich dann immer ganz klein.“ Meist liegen ja die Ursachen unsere hinderlichen Glaubenssätze in der Kindheit.
Zum anderen geht es darum, dieser Seite in uns liebevoll Anerkennung und Aufmerksamkeit zu geben, anstatt ihn weiter zu ignorieren und von uns zu erwarten, dass wir doch demnächst wieder souverän und erwachsen reagieren, wenn es den nächsten Konflikt gibt.
Denn es ist klar: wenn etwas ignoriert wird, heißt es nicht, dass es deswegen verschwindet. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall.
Also heißt es nun: Kontakt und Auseinandersetzung mit dem inneren Kind zu pflegen.
Dazu wird in der üblichen Literatur besonders für den Anfang des Prozesses folgendes empfohlen: Wenn man sich das erste Mal bewusst dem inneren Kind zuwendet und Kontakt aufnimmt, soll man in den Dialog mit diesem Aspekt gehen.
Also wie ein behutsames Kennenlernen und sich miteinander vertraut machen. Möglicherweise ist dein inneres Kind verschreckt oder sogar versteckt, und es benötigt etwas Geduld und Vorsicht, damit sich dieser Anteil auch überhaupt zeigen mag. Je nach Konditionierung ist das individuell sehr unterschiedlich.
Durch Hineinfühlen, innere Bilder, das Wahrnehmen von Energie oder einfach ein inneres Wissen kannst du feststellen, wie es um dein inneres Kind steht. Und irgendwann ist dann die Verbindung vollständig hergestellt:
Dein inneres Kind zeigt sich und ist bereit, mit dir in den Kontakt zu treten. Soweit so gut. Und dann kommen wir zum ersten Punkt, den ich als Fehler erlebe.
Was bei meinem inneren Kind nicht hilft
Das Erste, was bei mir überhaupt nicht funktioniert hat, war das Versprechen. Es wird meistens empfohlen, seinem inneren Kind zuerst nach Kontaktherstellung wie oben beschrieben etwas zu versprechen. Nämlich von nun an immer da zu sein, von nun an immer gut aufzupassen, von nun an immer achtsam zu sein usw.
Ich habe es versucht. Wirklich. Aber es hat sich angefühlt wie eine Lüge. Für mein inneres Kind hat es sich angefühlt wie eine Lüge und wie leere Worte. Denn ich habe festgestellt, dass das ja Teil meines kindlichen Schmerzes war. Die Erfahrung zu machen, dass meine Eltern mir immer mal wieder versichert haben, dass sie immer für mich da sein werden.
Dass ich mit allem zu ihnen kommen kann. Aber in dem, was sie gelebt haben, durch ihr Verhalten allgemein und mir gegenüber im Besonderen, ist genau das Gegenteil bei mir angekommen. Als Kind habe ich mich eben nicht geborgen und gehalten gefühlt.
Ich hatte nicht das Gefühl, so sein zu dürfen, wie ich mich gerade fühle. Sondern ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, mich anzupassen, gut zu funktionieren, brav zu sein und Erwartungen zu erfüllen. Ja, vielleicht waren meine Eltern im Außen für mich da, wenn es darum ging, Dinge zu regeln, zu organisieren oder praktische Unterstützung zu bekommen.
Aber auf der emotionalen Ebene habe ich mich die meiste Zeit recht einsam und eher alleingelassen gefühlt. Denn dafür waren meine Bezugspersonen viel zu sehr in ihren eigenen Dramen und Traumata verstrickt.
Also habe ich als Kind schon gelernt, dass die Versicherung meiner Eltern, dass sie immer für mich da seien, nicht so zu verstehen ist, wie ich es gebraucht hätte. Und genauso ging es nun natürlich meinem inneren kleinen Mädchen. Auch sie hat diesem von mir formulierten Versprechen nicht geglaubt.
Es fühlte sich für sie absolut leer und bedeutungslos an. Die Botschaft, die ich von ihr bekam, war sehr deutlich: Das einzige, womit ich sie erreichen konnte, waren Taten. Also die Art und Weise, wie ich jetzt wirklich mit ihr umgehen würde im inneren Dialog und Austausch.
Was würde ich tatsächlich praktizieren? Und damit kommen wir zum zweiten und für mich noch wichtigeren Fehler.
Diesen Fehler solltest du unbedingt vermeiden
Dieser Fehler, den ich meine, beinhaltet zwei Ebenen. Diese sind eng miteinander verzahnt und dennoch ist es hilfreich, sie bewusst voneinander zu unterscheiden.
Die erste Ebene des Fehlers: Dem Kind vorschreiben, was es fühlen soll
Wie praktizierst du nun die Arbeit mit dem inneren Kind? Die Literatur, die ich damals als Grundlage meiner Auseinandersetzung genutzt habe, empfahl auch immer wieder das Trösten mit Worten und gut zureden.
D.h. tröstend mit ihm zu sprechen, wenn es darum geht, das innere Kind mit seinem emotionalen Schmerz ernst zu nehmen. Sätze zu sprechen wie: „Du brauchst keine Angst haben.“, oder „Sei nicht traurig.“ oder „Es ist alles gut.“
Fühlt sich das kleine Mädchen, der kleine Junge dann wirklich getröstet oder angenommen?
Mit solchen Sätzen will ich dem inneren Kind vorschreiben, wie es sich fühlen soll. Und das ist genau die Fortsetzung dessen, was wir in unserer Kindheit erlebt haben. (Und oft genug sind es sogar die gleichen Sätze, die wir schon von den Erwachsenen gehört hatten.)
Dass nämlich bestimmte Emotionen sanktioniert wurden. Dass wir das Gefühl hatten, bestimmte Befindlichkeiten sind nicht erwünscht. Dass dadurch die Überzeugung in uns entstanden ist: „So, wie ich bin, bin ich nicht in Ordnung.“ Zumindest war das bei mir so und den allermeisten meiner Klient*innen.
Aber der Schmerz des inneren Kindes ist jetzt gerade Angst. Oder Traurigkeit. Oder Verzweiflung. Oder das Gefühl, dass alles ganz schlimm ist. Und wenn ich diesen Anteil von mir wirklich ernst nehmen möchte, dann gilt es, diese subjektive Realität einfach zu akzeptieren, anzunehmen und so sein zu lassen.
Mein inneres Kind so sein lassen. Und hier verknüpft sich die zweite Ebene des Fehlers. Denn mit welcher Absicht wollen wir den überhaupt Kontakt zum inneren Kind aufnehmen?
Die zweite Ebene des Fehlers: Der Schmerz soll verschwinden
Und hier dürfen wir uns aufrichtig hinterfragen: Was ist unsere Motivation, wenn wir mit unserem inneren Kind Kontakt aufnehmen? Geht es uns wirklich darum, ihm das zu geben, was es in der Vergangenheit so schmerzlich vermisst hat?
Geht es uns darum, es nun wirklich so zu be-eltern, wie es damals notwendig gewesen wäre? Geht es uns darum, wirklich das verletzte innere Kind zu heilen? Oder versteckt sich dahinter nicht einfach der so menschliche und reflexhafte Impuls, dass der emotionale Schmerz verschwinden soll?
Denn so sind wir programmiert. Aus rein biologischer und evolutionärer Perspektive betrachtet ticken wir Menschen so. In uns gibt es den ausgeprägten Reflex, jede Form von Schmerz unbedingt vermeiden zu wollen. So auch in emotionaler Hinsicht. Und wir sind sehr findig darin, Strategien und Wege zu finden, um dieses Ziel zu erreichen.
Zumindest vordergründig. Das Praktische an Emotionen ist, dass sie sich prima verdrängen, ignorieren und abspalten lassen. Vordergründig tut es dann vielleicht tatsächlich nicht mehr so weh. Aber deswegen sind sie noch lange nicht aus unserem System gelöst. Und schon gar nicht ist die Ursache geheilt.
Wenn wir also im Kontakt mit unserem inneren kleinen Mädchen „tröstend“ zureden und sich darin die Absicht versteckt, dass der Schmerz weggehen soll, werden wir wahrscheinlich wenig Erfolg haben. Da passiert nicht viel. Möglicherweise fühlt es sich sogar eher schlechter an. Denn dein inneres Kind lässt sich nicht veräppeln und spürt ganz genau, dass es jetzt „wieder mal“ funktionieren soll.
Ähnlich wie in der Vergangenheit. Und möglicherweise reagiert es bockig und widerspenstig. Nix mit Heilung. Denn auch das ist ja etwas, was wir damals von den Erwachsenen erfahren haben: Das „tröstende“ Zureden von wegen, es sei doch alles nicht so schlimm. Klar war das aus einer positiven Absicht heraus. Es sollte uns wieder gut gehen.
In der Regel möchten Eltern ihre Kinder glücklich sehen (es gibt natürlich Ausnahmen im Falle schwer traumatischer Erfahrungen). Aber auch hier ist die Frage: Warum? Warum darf denn ein Kind aus Sicht der Eltern nicht traurig oder verletzt oder hilflos oder wütend sein? Denn das ist es doch, was unser Menschsein und unsere Lebendigkeit ausmacht.
In den meisten Fällen darf das nicht sein, weil unsere Eltern es auch nicht gelernt haben, anders mit ihrem emotionalen Schmerz umzugehen. Weil auch sie es so übernommen haben. Es ist Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit gegenüber dieser Art von Leid.
Der Schmerz muss weg, damit man wieder funktionieren kann. In meinem 2-teiligen Beitrag Ursachen für mangelnde Selbstliebe gehe ich sehr detailliert auf die Hintergründe und Ursachen ein. Und das Funktionieren hat nach wie vor in unserer Gesellschaft absolute Priorität.
Und was passiert bei der Arbeit mit dem inneren Kind, wenn wir sie mit der Absicht praktizieren, dass der Schmerz verschwinden soll, damit wir wieder funktionieren können? Wir sind im Widerstand gegen das was ist und kämpfen unterschwellig dagegen an. Wir bauen Druck auf, dass es anders sein sollte und erzeugen damit Gegendruck. (Schau die auch meinen Beitrag über inneren Widerstand an.)
Das ist der Grund, weshalb viele Menschen das Gefühl haben, dass diese Arbeit mit dem inneren Kind nichts bringt. Oder dass es sich eher schlechter anfühlt. Denn wir wiederholen genau das Muster unserer Bezugspersonen aus der Kindheit, die ja Teil der Ursache für unseren jahrzehntealten Schmerz sind.
Und auch hier bestätigt sich die innere Überzeugung: „So wie ich bin, bin ich nicht in Ordnung.“ oder „Ich muss anders sein.“ Es ist also eine Fortsetzung oder weitere Bestätigung der schmerzhaften Programme.
Meiner Erfahrung nach gibt es also drei Ebenen, auf denen wir im Dialog mit dem kindlichen Persönlichkeitteil etwas falsch machen können:
- Dem Kind Versprechungen machen, wenn es bei leeren Worten bleibt.
- Dem Kind vorschreiben, was es fühlen soll.
- Und die versteckte Absicht haben, dass der Schmerz verschwinden soll bzw. dass etwas oder sogar das Kind anders sein soll.
Innere Kind Arbeit als Heilarbeit
Und jetzt? Wie geht es nun? Was bedeuten diese Erkenntnisse für das Praktizieren? Ich kann dir nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, was bei mir Wirkung zeigt:
- Ich habe mich erinnert an meine Sehnsucht, die ich als kleines Mädchen hatte, die mir jedoch gar nicht bewusst war. Dazu habe ich mich in eine schmerzhafte Situation von damals hineingefühlt. Und ich habe mich gefragt, welche Reaktion ich gebraucht hätte. Was mir gutgetan hätte. Und das war das Gefühl, so sein zu dürfen. Dass mir eine erwachsene Person über ihre Energie und ihr Gefühl vermittelt: So wie ich bin, bin ich in Ordnung.
- Und das ist der zweite Punkt: Nicht über Worte, sondern über Energie und Gefühl. Also öffne ich mein Herz und werde weich dem kindlichen Schmerz gegenüber. Ich versuche, die Not meines inneren Kindes aus seiner Perspektive zu fühlen. Versuche, die Welt aus seine Augen zu sehen. Und lasse einfach alles zu. Ohne Worte.
- Dazu stelle ich mir vor, dass ich mein kleines Mädchen einfach nur halte. Dass es weinen darf, solange es will. Dass es schreien darf, solange es will. Dass es bockig sein darf, solange es will. Dass es sich hilflos und unsicher fühlen darf, solange es will. Immer mit meinem weit geöffneten Herzen. Alles ohne Worte.
- Und dann fühle ich plötzlich wie selbstverständlich ganz viel Liebe – bedingungslose Liebe. Für dieses kleine Wesen, was ich einmal war. Und wundersamer Weise gleichzeitig für mich als erwachsene Frau. Ich lasse mein kleines Mädchen in dieser Liebe baden. Solange es will.
- Und dann beginnt Heilung.
Wie sind deine Erfahrungen mit deinem kleinen Mädchen oder Jungen im inneren Dialog? Oder vielleicht hast du eine konkrete Frage? Dann schreib doch einen Kommentar, ich antworte dir sehr gerne.
Alles Liebe für dich!
Imke Köhler
Ich freue mich, dass du meinen Beitrag liest!
Ich bin Imke und ich möchte dich unterstützen, zu emotionaler Freiheit und mehr Selbstliebe zu finden.
Möchtest du mit mir arbeiten, dann kannst du dich hier informieren.
Buche jetzt ein kostenloses Tiefengespräch, damit wir gemeinsam herausfinden, welche Form der Begleitung für dich passend ist.
2 Responses
Danke Imke für diesen Artikel,
Ich dachte wirklich, es liegt wieder an mir. Auch ich hatte einen inneren Widerstand gegen das echte Trösten des inneren Kindes, weil ich gar nicht weiss, wie das geht- aber es einfach sein lassen wie es ist und annehmen in einem Bad der Liebe- das ist ein wunderbar heilbares Erleben, dass ich sehr gut annehmen und nachempfinden kann.
Liebe Miri,
von Herzen DANKE für deine Wertschätzung und Resonanz. Es freut, berührt und bestärkt mich, dass es anderen ähnlich geht wie mir. Möge eine innige und liebevolle Beziehung zwischen dir und deinem inneren Kind wachsen und sich entwickeln. Alles Liebe für dich, Imke