Sich selbst vergeben: In 6 Schritten zur Selbstvergebung

6. Dezember 2022
Imke Köhler
Sich selbst vergeben: In 6 Schritten zur Selbstvergebung

Eigentlich gibt es nichts zu vergeben. Bei uns selbst nicht und auch nicht bei anderen. Denn gehen wir von der bedingungslosen Liebe aus, geht es ausschließlich darum, alles anzunehmen, was ist. Dann ist alles, was sich zeigt oder gezeigt hat, einfach nur das, was es ist.

Dann existiert keine Bewertung in gut oder schlecht.  Dann ist alles ein Ausdruck des Lebens oder des Menschseins. Es sollte nichts besser oder anders sein. Allerdings sind wir von der bedingungslosen Liebe meist ziemlich weit entfernt. Wir haben es nicht gelernt oder verlernt, bedingungslos zu lieben.

Stattdessen bewerten wir uns, unser Umfeld und versuchen uns entsprechend anzupassen. Um gut zu funktionieren. Um möglichst konfliktfrei durchs Leben zu kommen. Im Beitrag 2 Ursachen für mangelnde Selbstliebe Teil 1 & 2 erkläre ich die Hintergründe dafür.

Wir richten uns und unser Verhalten nach den gesellschaftlichen oder den eigenen Ansprüchen. Und sehr viele Menschen haben entsprechende innere kritische Instanzen eingerichtet: Der innere Richter oder die innere Kritikerin.

Sich selbst vergeben kommt bei den oft harten Selbstverurteilungen nicht vor. Aber genau die Selbstvergebung kann dann dazu verhelfen, Selbstannahme und letztlich auch bedingungslose Liebe zu praktizieren.

Überblick Inhalte

Sich selbst vergeben: Warum ist das so wichtig?

Sich selbst vergeben: Warum ist das so wichtig? Weil Selbstvergebung ein wichtiger Schritt ist, eigene Fehler und Schwächen anzuerkennen. Wenn du dir selbst vergeben kannst, brauchst du dafür die Bereitschaft, dich mit deinen Schattenseiten auseinanderzusetzen. Ohne die Annahme dieser Schattenanteile kann es keine Selbstvergebung geben.

Umgekehrt werden sie automatisch integriert, wenn du sie als deine Anteile anerkennst. Das wiederum führt zu mehr Selbstliebe und Ganzheit. Je mehr du dich in deiner Ganzheit annehmen kannst, umso freie bist du. Und umso mehr Liebe leben ist möglich.

Sich selbst vergeben ist außerdem wichtig, weil dadurch Entwicklung und Wachstum deiner Seele gefördert wird. Nur, wenn du dir deine Fehler und Schwächen anschaust und sie annimmst, kannst du konstruktiv aus ihnen lernen.

Was passiert, wenn du dir selbst nicht vergeben kannst?

Wenn du dir selbst nicht vergeben kannst, machst du dich selbst innerlich und oft auch äußerlich unfrei. Ein Ereignis aus der Vergangenheit, welches du dir selbst nicht verzeihen kannst, blockiert sowohl deine Gegenwart, als auch deine Zukunft.

sich selbst vergeben durch Liebe

Unterschwellige Emotionen

Unterschwellig bist du immer im Groll mit dir selbst. Vielleicht sind da auch Scham- und Schuldgefühle. Allein, dass diese Emotionen in dir „eingelagert“ sind, kann dich blockieren. Und sie können ein latentes Gefühl von Bedrücktheit und Unglücklich sein hervorrufen.

Die Emotionen, welche mit Ereignissen zusammenhängen, die du dir selbst nicht vergeben kannst, sind sehr unangenehm und schmerzhaft. Als Menschen haben wir den Reflex eingebaut, jede Form von Schmerz zu vermeiden bzw. dem Schmerz aus dem Weg zu gehen.

Körperliche Symptome

Bezogen auf eigene Emotionen bedeutet das, dass wir dazu neigen, diese Emotionen zu unterdrücken, zu verdrängen oder sogar abzuspalten. Deswegen sind sie aber keineswegs aufgelöst.

Weil unsere Seele immer nach Heilung und Ganzheit strebt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich diese verdrängten Emotionen über körperliche Symptome oder Krankheiten bemerkbar machen. Der Körper schickt uns Hinweise, damit wir uns nach innen wenden.

Projektionen

Wenn du dir selbst nicht vergeben kannst, können sich deine Schuldgefühle auch auf andere projizieren. Das bedeutet, dass du an einer anderen Person etwas kritisierst oder ihr etwas vorwirfst, weil du deine eigenen Schuldgefühle nicht fühlen willst, bzw. sie dir gar nicht bewusst sind.

Solche Projektionen erkennst du daran, wenn du auf einen anderen Menschen übermäßig gereizt und kritisch reagierst. Wenn in deiner Reaktion der anderen Person gegenüber eine starke emotionale Ladung steckt.

Was gilt es, sich selbst zu vergeben?

Was gilt es, sich selbst zu vergeben? Neben einschneidenden Ereignissen aus der Vergangenheit haben wir sehr häufig auch die Gelegenheit im Alltag, uns selbst zu vergeben.

Die „großen Vergehen“, die du dir selbst vergeben darfst

Vielleicht gibt es bestimmte Ereignisse in deiner Vergangenheit, die besonders prägend für dich waren. Bei denen du dir im Nachhinein, du hättest anders gehandelt, anders reagiert. Vielleicht ist dieses Ereignis besonders mit Schuldgefühlen besetzt.

Es kann auch sein, dass es in der Vergangenheit bestimmte Muster gab. Verhaltensmuster von dir, die du dir jetzt – mit deinem reflektierten Bewusstsein übelnimmst. Denn jetzt weißt du es besser und würdest dich in jedem Fall anders verhalten. Dennoch kannst du dir das damalige Verhalten noch nicht so richtig verzeihen.

Die „kleinen Alltagsvergehen“, die du dir vergeben darfst

Wenn du, wie die meisten Menschen, im Alltag bestimmte Ansprüche erfüllen möchtest, dann kann es schnell passieren, dass du diese selbstauferlegten Ansprüche nicht erfüllst. Und schon nimmst du dir das übel. Colin C. Tipping hat sich ausführlich mit dem Thema Selbstvergebung beschäftigt.

Von ihm stammt diese aufschlussreiche Grafik, die verdeutlicht, dass jeder Mensch sowohl eine Image-Seite als auch eine Schattenseite von sich lebt. Die jeweiligen Eigenschaften sind natürlich individuell unterschiedlich. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass jeder auf beiden Seiten Anteile von sich entdecken kann, wenn er/sie wirklich aufrichtig sein will.

Selbstvergebung durch Erkennen von Image und Schatten
Quelle: https://tipping-methode.de/ nach Collin C. Tipping

In 6 Schritten sich selbst vergeben

Wie geht das nun: Sich selbst vergeben? Aus meiner eignen Erfahrung und Praxis habe ich 6 Schritte entwickelt, die eine spürbare emotionale Veränderung bewirken. Je nachdem, ob es sich um „Alltagsvergehen“ oder um „größere Vergehen“ handelt, kann es sinnvoll sein, die einzelnen Schritte schriftlich durchzuführen.

1. Entscheidung treffen/Verantwortung übernehmen

Der erste Schritt ist gleichzeitig die wichtigste Voraussetzung für deine Selbstvergebung. Es geht darum, die bewusste Entscheidung zu treffen, dich zu konfrontieren, mit dem, was du dir selbst übelnimmst.

D. h. der Situation und deiner „Tat“ ungeschönt ins Gesicht zu blicken. Damit übernimmst du automatisch Verantwortung für dein Verhalten. Eine grundlegende Voraussetzung für Entwicklung und Veränderung.

2. Situation erinnern, bewusstmachen, beschreiben

Im zweiten Schritt schaust du dir die entsprechende Situation genau an und versuchst sie, eher zu beschreiben. Was ist konkret passiert? Wie hast du dich konkret verhalten? Welche Folgen sind daraus entstanden? Versuche hier, wirklich aus der Position einer Beobachterin die Situation wahrzunehmen.

3. Emotionen und Selbstvorwürfe bewusstmachen und annehmen

Als nächstes geht es darum, alle entstandenen Emotionen und Selbstvorwürfe zu erkennen und dir bewusstzumachen. Das kannst du sofort kombinieren mit der Methode des Annehmens (Innerer Widerstand: Wie du ihn mit Leichtigkeit überwinden kannst).

Also z. B.: „Ich sage ja zu meinen Schuldgefühlen, weil ich … getan habe. Ich sage ja zu meiner Scham deswegen. Ich sage ja, dass ich mich … verhalten habe. Ich sage ja, dass ich xy verletzt habe.“ Usw. Hier ist es wichtig, nicht zu oberflächlich vorzugehen, sondern möglichst alle Facetten und Gefühle mit einzubeziehen.

Solange du beim Gedanke an die Situation noch ein mulmiges Gefühl hast, sind noch nicht alle Aspekte und Emotionen von dir angenommen worden.

4. Die Ursachen dahinter (an)erkennen

Es ist wichtig, dass du dir klarmachst, weshalb du dich so verhalten hast. Es gibt immer eine Ursache. Und diese Ursache ist meist ein seelischer Schmerz oder sogar ein Trauma. Wenn du vielleicht jemanden verletzt hast, kann es sein, dass du dieses verletzende Verhalten aufgrund eines Traumas entwickelt hast.

Oder wenn du dir übelnimmst, dass du deine eigene „Selbstoptimierung“ nicht geschafft hast, dann mach dir den Grund dafür klar. Z. B. steckt in dem Wunsch nach „Selbstoptimierung“ auch das schmerzliche Glaubensmuster, nicht gut genug zu sein. Und in dem „Nicht-Schaffen“ steckt evtl. die Rebellion deines Wahren Selbst. Forsche also ein bisschen nach den tieferen Ursachen und Motiven.

sich selbst verzeihen durch Gnade

5. Das Geschenk erkennen

Ich bin davon überzeugt, dass alles im Leben zu unserem höchsten Wohl ist und alles der Entwicklung unserer Seele dient. Demnach sind auch die Situationen, die wir uns selbst erstmal nicht vergeben wollen, Wachstumsmöglichkeiten.

Du kannst nun, nachdem dir die Ursachen bewusst sind, auch das Geschenk dieser Erfahrung erkennen. Was kannst du daraus lernen? Welche Fähigkeit kannst du dadurch entwickeln? Welche Werte sind dadurch für dich wichtig geworden? Welchen positiven Nutzen hast du verfolgt, auch wenn du evtl. jemanden damit verletzt hast?

Nur, wenn du deine positive Absicht hinter dem Ereignis erkennst, kann Heilung wirklich nachhaltig geschehen.

6. Herz öffnen und weich werden

Zum Abschluss geht es darum, alles in dein Herz zu nehmen und weich damit zu werden. Stell dir dazu einfach vor, dass dein Herzraum groß genug ist, alles in sich aufzunehmen. Die Situation allgemein, deine ganzen Emotionen und Selbstvorwürfe, die Ursachen für dein Verhalten und natürlich das Geschenk.

Stell dir vor, wie alles nun in deinem Herzen ist und dein Herz alles warm und weich umhüllt und umarmt. Alles badet nun in Liebe, bedingungsloser Annahme und Mitgefühl. Genieße diesen Moment, solange du magst.

Du wirst feststellen, dass du dann mit der Situation im Frieden bist und loslassen kannst. Sollte es nicht so sein, dann ist da meist noch eine versteckte Emotion. Versuche sie zu identifizieren, anzunehmen und zu bejahen.

 

Wenn du Fragen hast, hinterlass mir gerne einen Kommentar oder erzähl mir davon in einem kostenlosen Gespräch.

2 Responses

  1. Aus meinen eigenen Erlebnissen kann ich jetzt, nach deren Bearbeitung, die Auswirkungen, die Imke Köhler dort beschreibt, bestärken.
    Viele meiner Selbsturteile und -anklagen haben mich in meiner Entwicklung, meinem Selbstbild und auch im Umgang mit anderen Menschen behindert. Erst dadurch, dass ich versucht habe, zu erkennen, wie ich war und jetzt bin/ geworden bin, hat sich sowohl meine Sicht auf mich als auch die Beziehung zu mir und zu andern verändert. Ich musste lernen, Verantwortung auch für meine „dunklen“ Seiten zu übernehmen und sie dadurch immer mehr anzunehmen. Ich denke, wenn man sich selbst vieles vergeben hat, sich akzeptiert und sich gestattet, erlebt man immer mehr Freiheit und ist im Leben sehr viel weniger zu verunsichern.

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