Selbstliebe in Beziehungen Teil 1

6. Januar 2022
Imke Köhler
Selbstliebe in Beziehungen Teil 1

Warum Selbstliebe eine wichtige Voraussetzung für eine erfüllte Liebesbeziehung ist

Warum ist Selbstliebe in Beziehungen so wichtig? Wo soll ich anfangen? Dieses Thema ist meines Erachtens so wichtig und essentiell und gleichzeitig ist es bei den meisten Menschen so wenig präsent in ihrem Alltag, in ihren Beziehungen. Und ich bin davon überzeugt, dass es genau dieses fehlende Bewusstsein für die Selbstliebe ist, an der unsere Gesellschaft erkrankt.

Die Abwesenheit von Selbstliebe macht es uns so schwer, ein wirklich erfülltes und glückliches Leben zu führen. Da kann man noch so erfolgreich im Job sein oder der/die Partnerin kann noch so „perfekt“ sein – wenn die Selbstliebe fehlt, bleibt das Gefühl von Erfüllung und Genährt-Sein aus.

Ich frage mich, woher es wohl kommt, dass in sämtlichen Liebesfilmen suggeriert wird, dass es nur darauf ankommt, endlich den oder die Richtige gefunden zu haben, um wahrhaft glücklich zu sein. Wo liegt der Ursprung dieser Annahme? Gleichzeitig ist es immer noch so, dass die allermeisten Menschen davon ausgehen, das fehlende Puzzleteil finde sich in der passenden Person für eine Liebesbeziehung.

Wenn ich meinen Mr. Right gefunden habe, dann endlich werde ich glücklich sein. Eine gängige Vorstellung, die unreflektiert von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ist jemand längere Zeit ohne Liebesbeziehung, dann kann mit dieser Person irgendetwas nicht stimmen. Ein Dasein ohne Liebespartner*in ist in unserer Gesellschaft nicht wirklich etabliert.

Auch ich habe jahrzehntelang von dem Richtigen geträumt. Das hat schon sehr früh begonnen. Immer war ich auf der Suche nach dem Mann, mit dem ich endlich richtig glücklich sein kann oder besser: der mich glücklich macht.

Denn was passiert hier? Wir suchen nach einer Person, die „richtig“ ist, wenn sie bestmöglich unsere Bedürfnisse erfüllt. Je besser jemand unsere Bedürfnisse erfüllt, als umso passender wird diese Person bewertet. Lassen wir uns dann auf diese Person ein und beginnen eine ernsthafte Beziehung, entstehen aus diese „Passgenauigkeit“ sehr schnell Erwartungen. Wir beginnen zu erwarten, dass der/die andere doch bitteschön unsere Bedürfnisse befriedigt, so, wie wir es uns wünschen, und genau dann, wann wir es wollen.

Der Prozess von der Verliebtheitsphase in eine ernsthafte Beziehung

In der ersten Verliebtheitsphase sind in der Regel beide so voneinander angezogen und eingenommen, dass es ganz natürlich erscheint, die Bedürfnisse des anderen zu erfüllen. Wir möchten schließlich in einem guten Licht erscheinen und haben eine heimliche Angst vor Ablehnung. Und natürlich macht es uns in dieser Phase auch Freude, der anderen Person Freude zu bereiten. Dauert die Beziehung nun länger, zeigen sich nach und nach immer mehr andere Seiten bei beiden Beziehungspartner*innen.

Denn es tritt ein Gewöhnungseffekt ein. Das, was wir anfangs mit und durch unsere/n Liebespartnerin als aufregend und wunderbar erlebt haben, ist inzwischen Alltag geworden. Und wir fühlen uns inzwischen recht sicher, dass wir nicht sofort wieder verlassen werden. Also trauen wir uns automatisch immer mehr, unser wahres Gesicht zu zeigen. Das bedeutet, dass zunehmend auch unsere Schwächen und Schattenseiten deutlich werden. Und dazu gehören auch unsere emotionalen Defizite, die meist ihre Wurzel in der Kindheit haben.

Grundsätzlich ist das alles kein Problem und es ist ein natürlicher Prozess. Problematisch ist, dass diese emotionalen Defizite – die zu Beginn durch das Verliebt Sein noch verdeckt waren – mit großen Erwartungen an unser Gegenüber verknüpft sind. Wir erwarten von unserem Partner/unserer Partnerin, dass diese Defizite ausgeglichen, gefüllt, geheilt werden sollen.

Denn schließlich haben wir diese Person doch ausgesucht, weil sie so perfekt unsere Bedürfnisse erfüllt hat. Natürlich spielt sich diese Dynamik meist unbewusst ab. In den seltensten Beziehungen wird dieser Vorgang bewusst reflektiert. Obwohl es grundsätzlich mit einer gewissen Erfahrung und Bewusstheit möglich ist.

Der Prozess von der Verliebtheitsphase in eine ernsthafte Beziehung

Wie meine eigenen Defizite echte Liebe verhindert haben

Wenn ich zurückblicke, kann ich diese Art der Entwicklung in jeder meiner bisherigen Liebesbeziehungen feststellen – mit unterschiedlich starken Ausprägungen. In meiner jetzigen Beziehung setzte die Dynamik mit der Erwartungshaltung schon sehr schnell ein. Ich kann mich noch erinnern, wie es sich anfühlte, als die Sicherheit des Verliebt Seins aufbrach und ich darunter eine kindliche Angst vor Verlust spüren konnte. Gepaart war bei mir diese Angst mit der Annahme, nicht gut genug zu sein.

Diese brisante Mischung habe ich in Form von Erwartungen auf meinen Partner projiziert. Ich habe im Grunde von ihm erwartet, dass er mir durch sein Verhalten beweisen und bestätigen soll, dass ich entgegen meiner eigenen Annahme gut genug bin und er mich nicht verlassen wird. Aber da es ja meine Überzeugungen waren, die da wirkten, war ich letztlich nie zufrieden und habe mich nie sicher gefühlt. Er hätte sonst was tun können, mein eigenes inneres Defizit wäre nie durch ihn ausgeglichen worden.

Bedürftigkeit hat nichts mit Liebe zu tun

Irgendwann habe ich das verstanden, denn meine inneren Gefühle von Verlustangst und Minderwertigkeit haben sich einfach nicht wirklich verändert, egal, was er mir an Bestätigung gegeben hat. Mir ist klargeworden, dass nur ich selbst diese Gefühle in mir verändern kann, niemand sonst. Also habe ich begonnen, mich diesem inneren Schmerz zu widmen, ihn zu erforschen, mir die Zusammenhänge klar zu machen und auch aufzulösen.

Bedürftigkeit hat nichts mit Liebe zu tun

Entscheidend war auch die Erkenntnis, dass diese Bedürftigkeit nichts mit Liebe und Selbstliebe zu tun hatte. In meiner Sehnsucht nach Bestätigung von meinem Partner bin ich anfangs davon ausgegangen, 

dass ich mir wünsche, von ihm geliebt zu werden, mich geliebt zu fühlen.

Ich hatte meine Erwartungen und meine Forderungen an ihn mit Liebe verwechselt. Wie kann etwas mit Liebe zu tun haben, wenn es eingefordert werden muss und gar nicht aus freiem Herzen geschenkt wird? Ich konnte deutlich spüren, dass – selbst, wenn er mir seine Liebe gezeigt hat – ich sie gar nicht annehmen und empfangen konnte. Ich habe mich gefühlt wie ein Gefäß ohne Boden, wo alles an Liebe einfach wieder hinausfällt.

Mir ist klargeworden, dass ich mich selbst gar nicht lieben kann. Und so lange das so ist, kann ich auch die Liebe eines anderen Menschen nicht wirklich empfangen. Es bleibt dann nur bei der kurzweiligen Befriedigung von Bestätigung, die aber eher süchtig macht, nach der nächsten und der nächsten und der nächsten. Ich fühlte ganz klar, dass diese Art der Bestätigung mich nicht wirklich nährt und satt macht.

ich wollte unbedingt lernen, mich selbst zu lieben

Mein Entschluss nach diesen Erkenntnissen stand fest: ich wollte unbedingt lernen, mich selbst zu lieben. Im 2. Teil erfährst du, wie ich das gemacht habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert